Gesellschaftliche Verhältnisse der Yuan 元-Dynastie

Zeitgenössischer Hintergrund

Mit der mongolischen Eroberung des chinesischen Gebietes und der Gründung der Yuan -Dynastie (1279-1368), waren die Mongolen mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert. Die hochentwickelte, zivilisierte chinesische Gesellschaft war nicht allein durch mongolisches Staatswesen zu beherrschen und zu kontrollieren. Bereits Lu Jia 陸賈 (228-140 v. Chr.) wusste, dass es für die Herrschaft über ein Reich nicht ausreiche, es auf dem Rücken eines Pferdes zu erobern. So sagte er zu Kaiser Gaozu 漢高祖 (r. 202-195 v. Chr.), man müsse sich an Oden und Dokumente halten. Lu Jia war von der Methode überzeugt, dass nur Mittels der Beschäftigung von sowohl zivilen (wen ) als auch militärischen (wu ) Experten das Imperium fortdauern könne.[1]

Eine große Hürde für die Mongolen stellte die demographische Mehrheit der chinesischen Bevölkerung dar, welche, mit der Eingliederung der Südlichen Song 南宋-Dynastie, annährend 97% der Gesamtbevölkerung ausmachte. Um diese Differenz zu überbrücken, schufen die Mongolen ein spezielles gesellschaftliches System von vier verschiedenen Rängen. In der Systematik dieser Politik wurde zwischen Mongolen, weiteren nicht sinisierten Ausländern, Nordchinesen, und der Bevölkerung der eroberten Südlichen Song-Dynastie, unterschieden. In Form dieses neuen Gesellschaftssystems unterschieden sich die gesellschaftlichen Ränge in Bezug auf rechtliche und institutionelle Aspekte. Diese Unterteilung implizierte keinen wirtschaftlichen Status oder soziale Macht Einzelner. In Form dieser Entwicklung wurde das traditionelle chinesische Gesellschaftssystem umgekehrt und in Frage gestellt. Die chinesischen Literaten wurden den gesellschaftlich niedrigsten Rängen zugeordnet.

Status der nicht-chinesischen Bevölkerung

Demographisch benachteiligt waren jene Bürger des Yuan-Reiches, die weder von chinesischer Nationalität, noch sinisiert waren. Die nicht-chinesische Bevölkerung nahm innerhalb der Gesellschaft, beziehungsweise in der Verwaltung, des Reiches privilegierte Funktionen ein. Die Kategorisierung der Gesellschaft suggerierte den mongolischen Herrschern politische Einheit, autoritäre Überlegenheit, und war für die Fortsetzung ihrer Expansionspolitik unabdingbar. Mit der Unterteilung der Gesellschaft gelang es Khubilai Khan, eine Dynastie zu bilden, dessen System es ermöglichte, die kulturellen Unterschiede und das demographische Ungleichgewicht in der Bevölkerung zu relativieren. Unterstützt wurde er diesbezüglich durch seine chinesischen Berater. Durch die Rangordnung bedingt, beeinflusste dieses System das gesamte gesellschaftliche Leben und hatte unter anderem Auswirkungen auf verwaltungstechnische, gerichtliche und steuerliche Angelegenheiten.

Über die verschiedenen ethnischen Gemeinschaften, welche die Mongolen im Yuan-Reich unterschieden, berichtet die 1366 von Tao Zongyi 陶宗儀 (ca. 1320-1401) zusammengestellte Sammlung chuogeng-lu (輟耕錄; Aufzeichnungen nach dem Umpflügen). Nach der chuogeng-lu zählten zu der obersten bevorrechtigten Gesellschaftsgruppe die mongolischen Herrscher und ihr nomadisches Volk.

Auf den gesellschaftlichen Rang der mongolischen Herrscherschicht folgte die Bevölkerung der »verschiedenen Ausländer« (semuren 色目人). Charakteristisch für den Bevölkerungsanteil der semuren war, dass sie weder chinesisch, noch mongolisch, noch sinisiert waren. Semuren umfassten sowohl die zentral- und vorderasiatischen Vasallen der Mongolen, als auch Europäer. Unter den semuren wurde zwischen den sich freiwillig den Mongolen angeschlossenen, und Unterworfenen unterschieden. Den semuren wurden Privilegien gewährt, die der chinesischen und der bereits sinisierten Bevölkerung des Reiches verweigert wurden. Sie besaßen allerdings weniger Privilegien als die mongolische Bevölkerung.

Da die semuren den mongolischen Herrschern treuer ergeben waren als die chinesischen Untertanen, füllten sie eine Sonderposition innerhalb des chinesischen Staatswesens aus. Khubilai Khan setzte die semuren, aufgrund ihrer Bildung und ihres Erfahrungsschatzes, als Zivilbeamte ein. In dieser Funktion erfüllten sie im Interesse des Khans Mittlerpositionen in der Gesellschaft. Auf diese Weise füllten die semuren wichtige Positionen in der Verwaltung aus, die den Chinesen im Allgemeinen verwehrt waren. Mit der Gründung der Yuan-Dynastie führten die mongolischen Herrscher ein System der doppelten Besetzung von Beamtenpositionen ein. Dieses System bedingte, dass eine Beamtenposition sowohl durch einen semuren oder einen Mongolen, und durch einen Chinesen besetzt wurde. Diese Systematik in der Besetzung von Beamtenpositionen erleichterte den mongolischen Herrschern die Kontrolle der Verwaltung des Yuan-Reiches. Bezüglich militärischer Angelegenheiten wurden die Kenntnisse der semuren benötigt. Dennoch wurde ihnen die Besetzung hoher Positionen in diesem Sektor im Allgemeinen verwehrt.


 Status und Funktion der chinesischen Bevölkerung

Gesellschaftlicher Status der chinesischen Bevölkerung

Die unteren gesellschaftlichen Ränge der Bevölkerung des Yuan-Reiches berücksichtigen die chinesischen, beziehungsweise bereits sinisierten, Bürger. Ob diese Bürger zu den konfuzianischen Gelehrten oder gemeinen Volk zählten, wurde in der Kategorisierung nicht berücksichtigt. Resultierend aus dem niedrigen gesellschaftlichen Rang der chinesischen Bevölkerung, war es ihnen in den meisten Fällen verwehrt, ein hohes Amt im Staat zu bestreiten. Weitere Nachteile machten sich in Form der Steuerzahlungen deutlich.

Zunächst folgten auf die semuren die Bewohner Nordchinas. Zusammengefasst wurden diese im gesellschaftlichen Rang der hanren (汉人, Han-Leute). In diese Gruppe wurden alle Chinesen und sinisierten Bürger des ehemaligen Jin -Reiches integriert. Zu jener sinisierten Bevölkerung zählten Khitan, Jurchen und Koreaner.

Der gesellschaftliche Rang der nanren (南人, Personen des Südens) war in der Rangordnung der chinesischen Gesellschaft am niedrigsten angesiedelt, machte jedoch den größten Teil der gesamtchinesischen Bevölkerung aus. Der Rang wurde im Jahr 1275, nach der Eroberung der südlichen Song 南宋-Dynastie, zum Gesellschaftssystem des Yuan-Reiches hinzugefügt. Mit der näheren Betrachtung des gesellschaftlichen Ranges der nanren wird erneut deutlich, dass sich die Gesellschaftseinteilung nicht auf wirtschaftlichen Status oder die soziale Macht bezog. Die sozialen Verhältnisse der nanren untereinander blieben nach der Eroberung durch die mongolischen Fremdherrscher, und mit der Integration in das Rängesystem, bestehen.

Funktion der chinesischen Gelehrten

Mit den Eroberungsangriffen der Mongolen 1215, bzw. 1234, n. Chr., setzte bereits eine Veränderung des Zeitgeistes in der chinesischen Gesellschaft ein. Mit der Etablierung der mongolischen Gesellschaftspolitik und der damit einhergehenden niedrigen Ränge der chinesischen Bevölkerung, zeichnete sich ein gesellschaftlicher Wandel im Reich ab. Die chinesischen Gelehrten verloren ihren privilegierten Status in der Verwaltung des Reiches und widmeten sich daraufhin der bildenden Kunst und Unterhaltungskultur. So wurden das nachklassische Lied (qu ) und das Drama zum Medium ihrer Stimme, sowohl im Sinne, meist indirekter, literarischer Opposition als auch zur Unterstützung der Herrschaftslegitimität im Sinne konfuzianischer Werte. Expliziten Zweifel bezüglich der rechtmäßigen Herrschaftslegitimation der Mongolen drückten nur wenige Chinesen aus. Der Großteil der chinesischen Elite agierte im Sinne konfuzianischer, verbindlicher Verhaltensnormen und war dem Herrscher und der Dynastie gegenüber, vordergründig betrachtet, loyal (Han Feizi ji jie 1986: juan 4, S. 62, 66). Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhand die chinesische Vorstellung, einen Fremden zu Akkulturieren und diesen in die eigene Tradition zu integrieren.

In der frühen Phase des Yuan-Reiches zeichnete sich, aufgrund mehrerer förderlicher Faktoren, eine zeitweilige Toleranz der mongolischen Fremdherrscher ab. Zum einen aufgrund der Schnelligkeit, mit der die Mongolen unter dem Einfluss von Beratern, wie dem konfuzianischen Gelehrten Yelü Chucai 耶律楚材 (-1243), gelernt hatten, sich auf die chinesischen Verhältnisse einzustellen. Zum anderen durch die Person und das Charisma des Herrschers, Khubilai Khan, selber. Zusätzlich dazu trugen der Güteraustausch mit Zentral- und Vorderasien, sowie die religiöse Toleranz der Mongolen, zur inneren Stabilität des Reiches bei. Probleme, wie beispielsweise die spätere Inflation, machten sich in der frühen Phase der Yuan-Dynastie noch nicht bemerkbar.


[1] 文武並用,長久之術也。Shiji 97.2699-3270, Hanshu 43.2113.

Brose 2007: Subjects and Masters: Uyghurs in the Mongol Empire.

Fengby 2010: Das chinesische Kaiserreich: Die Herrscher auf dem Drachenthron.

Franke und Trauzettel 1968: Das Chinesische Kaiserreich.

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Nagel-Angermann 2007: Das alte China.

Rossabi 2009: Khubilai Khan: his life and times.

Rossabi 2014: Writings of Morris Rossabi

Schmidt-Glintzer 1995: Das alte China: Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert

Trauzettel 1986: Die Yüan-Dynastie. In: Die Mongolen: Beiträge zu ihrer Geschichte und Kultur. 

Weiers 2009: Geschichte Chinas: Grundzüge einer politischen Landesgeschichte.

Zöllner 2002: Einführung in die Geschichte Ostasiens. In: Erfurter Reihe zur Geschichte Asiens.

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